Pressemitteilung - April 2021

Verheddert, verhungert, ertrunken, erstickt

NABU appelliert für sachgerechte Entsorgung von Verpackungsmüll und Schutzkleidung

Achtlos weggeworfener Gesichtsmasken können zur Todesfalle für Wildtiere werden. (Foto: Dr Antje Oldenburg)
Achtlos weggeworfener Gesichtsmasken können zur Todesfalle für Wildtiere werden. (Foto: Dr Antje Oldenburg)

Obwohl sich die Berichterstattung im letzten Frühjahr schwerpunktmäßig dem Thema Corona zuwandte und dadurch andere globale Probleme wie Klimawandel, Artensterben und soziale Ungleichheiten in den Hintergrund drängte, sind die Schreckensbilder nicht verblasst: Seevögel, die aufgrund plastikgefüllter Mägen Hungers sterben, strangulierte Meeresschildkröten, hoffnungslos in Fischernetze verhedderte Seehunde, mit Verletzungen übersäte Wale und Seepferdchen, die sich an Wattestäbchen statt an Seegrashalme klammern. Alljährlich sterben rund eine Million Vögel und 130.000 Meeressäuger an den Folgen der Vermüllung, die inzwischen ein so großes Ausmaß angenommen hat, dass in den Weltmeeren mehr Plastik als Plankton schwimmt. Obwohl im Nordpazifik bereits ein gigantischer Müllstrudel von der Größe Mitteleuropas treibt, landen Jahr für Jahr weitere acht Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen, die in jahrzehntelangen Zersetzungsprozessen in Mikropartikel zerfallen und dabei gefährliche Inhaltsstoffe freisetzen. 

 

Zwar spielen die Fischerei, die Schifffahrt und die Offshore-Industrie eine wichtige Rolle bei der Verschmutzung der Meere, der meiste Abfall stammt jedoch vom Land und wird durch den Wind und über die Flüsse eingetragen. Die Gefährdung der Tierwelt durch unser Konsum- und Wegwerfverhalten beschränkt sich daher nicht auf marine Arten, sondern betrifft ebenso viele Landlebewesen. Rehe und Hirsche verheddern sich in Plastikschnüren und Drähten oder nehmen beim Äsen Plastikabfälle auf; Füchse, Dachse, Waschbären, Igel und Marder bleiben mit ihren Schnauzen in Getränkedosen und Einwegbechern stecken und sterben einen qualvollen Hungertod. Vögel bauen Folien, Cellophan- und Plastikverpackungen in ihre Nester ein, so dass Regenwasser nur langsam oder gar nicht ablaufen kann und die Küken aufgrund der Feuchtigkeit erkranken oder schlimmstenfalls sogar ertrinken. Schreitvögel wie Reiher und Störche haben unter der achtlosen Müllentsorgung besonders zu leiden. Sie verwickeln sich mit mir ihren langen Beinen in Plastiktüten und –schnüren und verwechseln Gummibänder mit Würmern, was insbesondere für ihren Nachwuchs zu einer akuten Gefahr wird. So mussten in den letzten Jahren vermehrt stark geschwächte Jungstörche im NABU-Artenschutzzentrum Leiferde behandelt werden, die von ihren Eltern mit Gummibändern gefüttert worden waren. Sie haben nur dann eine Überlebenschance, wenn sie die unverdauliche, im Magen oder in der Speiseröhre zusammengeballte „Kost“ als Gewölle wieder auswerfen können. 

 

Seit Beginn der Pandemie sind die Abfallberge auf Rekordhöhe gewachsen und zu den Schnüren, Netzen, Folien, Verschlüssen, Flaschen, Dosen und den allgegenwärtigen Fast-Food-Boxen und ToGo-Bechern ist nun ein weiteres Problem hinzugekommen: Covid-19-Müll wird, wie eine jüngst im Fachmagazin „Animal Biology“ veröffentlichte Studie zeigt, weltweit zu einer Todesfalle für Wildtiere. Zwar ist ungewiss, wie viele der allmonatlich verbrauchten 129 Milliarden Gesichtsmasken und 65 Milliarden Plastikhandschuhe unsachgemäß entsorgt werden. Doch weisen erste Untersuchungen in England und den Niederlanden darauf hin, dass immer mehr Schutzbekleidung in der Umwelt statt im Mülleimer landet und nicht nur Straßen, Fußwege, Parkplätze und Bahnhöfe verschmutzt, sondern auch an Stränden und Ufersäumen, Feld- und Waldwegen, Aussichtspunkten und Sitzplätzen zu finden ist. „Wer an den Osterfeiertagen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs war, dem dürften vor allem die leuchtend blauen Mund-Nasen-Masken ins Auge gefallen sein, die auch in unserem Landkreis die Gefährdung von Wildtieren durch Plastikmüll weiter verschärfen“, sagt die Pressesprecherin des NABU Kreisverbandes, Dr. Antje Oldenburg. Vögel können Gesichtsmasken in ihren Nestern verbauen, sich mit Füßen, Flügeln und Schnäbeln in den Haltegummis verwickeln oder Reste verdreckter Schutzbekleidung verschlucken. Die Folgen sind ähnlich wie bei anderen Wegwerfartikeln: Strangulierte oder ertrunkene Küken und abgemagerte oder verhungerte Vögel und Säugetiere wurden in der niederländischen Studie ebenso dokumentiert wie in PP-Vlies erstickte Igel und in Plastikhandschuhen zappelnde Fische. „Wir möchten daher alle Bürgerinnen und Bürger bitten, Müll grundsätzlich in dafür vorgesehene Abfallbehälter zu tun“, appelliert der 1. Vorsitzende Klaus Todtenhausen. „Da offene Behälter gerne von Füchsen, Waschbären und Rabenvögeln nach Essbarem durchsucht werden, sollten besonders risikoreiche Verpackungen und Einmalartikel zuhause entsorgt werden. Noch wirksamer ist es, den Abfall erst gar nicht entstehen zu lassen und bereits beim Einkauf möglichst langlebige, schadstofffreie, reparier- und wiederverwendbare Produkte zu bevorzugen“.