Landkreis. Es ist Herbst. Das Laub der Birken, Linden und Ahornbäume leuchtet gold-gelb im sanften Licht der tiefstehenden Sonne, an Ebereschen, Heckenrosen und Weißdornbüschen prangen rote Beeren und Eicheln, Bucheckern und Kastanien bedecken den Boden. Äpfel und Birnen sind gepflückt, nur Quitten und Kürbisse müssen noch geerntet und einige Handgriffe erledigt werden, damit die tierischen Gartenbewohner geeignete Winterquartiere und einen reich gedeckten Tisch vorfinden. Denn wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken, gehen Ohrwürmer, Florfliegen, Wespen- und Hummelköniginnen, Fledermäuse und Bilche auf Quartiersuche und nehmen mangels natürlicher Rückzugsorte gerne Nistkästen an. Damit die Wintergäste ein sauberes Quartier vorfinden, sollten jetzt alte Nester und Verschmutzungen wie z.B. Kotspuren und Nahrungsreste entfernt werden, um die Übertragung von Parasiten und Infektionen zu verhindern. „Wir empfehlen auf chemische Putzmittel zu verzichten und die Nisthöhlen mit einer trockenen Bürste zu reinigen“, sagt Klaus Thiele vom Naturschutzbund Heidekreis. „So können sie sofort von Wintergästen bezogen werden oder der Anlage eines einfachen Schlafnestes für eiskalte Nächte dienen.“
Auch Laub, Reisig und Schnittgut bieten vielen Tierarten einen gemütlichen Unterschlupf. Insbesondere Igel profitieren von einem Laubhaufen in der Gartenecke, Erdkröten und verschiedene Insektenarten wissen die isolierende Wirkung des Laubes ebenso zu schätzen. Wer haufenweise für Gemütlichkeit sorgen will, sollte grundsätzlich Harken und Rechen verwenden, da Laubsauger und Laubbläser nicht nur ohrenbetäubenden Lärm verbreiten sowie Kohlenwasserstoffe und Stickoxide ausstoßen, sondern darüber hinaus unzählige Käfer, Spinnen, Tausendfüßler, Asseln und andere Kleinstlebewesen vernichten. Selbst für Amphibien, Reptilien und kleine Igel stellen diese motorisierten Gartengeräte eine tödliche Gefahr dar und haben in einem naturnahen Garten nichts zu suchen. Außerdem kann man Laub zum Mulchen auf Beeten und unter Hecken und Büschen verteilen, um die Pflanzen vor Frost und den Boden vor Auswaschung oder Austrocknung zu schützen. Gleichzeitig dient die Mulchschicht als Winterquartier für Insekten und versorgt den Boden im Laufe des Zersetzungsprozesses mit wertvollen Nährstoffen. Generell gilt: Je weniger man im Garten aufräumt, desto mehr kommt es der Natur zu Gute. So sollten auch verblüte Stauden und samentragende Pflanzen wie Disteln, Karden, Sonnenblumen, Natternköpfe und Nachtkerzen stehen bleiben, da in den trockenen Stängeln Insektenlarven überwintern und die Samen bei Grün-, Buch- und Distelfinken sowie Sperlingen, Gimpeln und Kernbeißern beliebt sind.
Bevor Frost und Schnee Einzug halten, sollte man auch daran denken, dass der Herbst die beste Pflanzzeit für Gehölze und Stauden ist und man durch das Stecken von Blumenzwiebeln für erste Farbtupfer im Frühjahr sorgt und gleichzeitig überwinternden Hummelköniginnen eine wichtige Nahrungsquelle bietet. Die pelzigen Nektar- und Pollensammlerinnen schwärmen im Frühling bereits bei Temperaturen von wenigen Grad Celsius aus, um in Spalten oder Löchern ein Nest für ein neues Volk anzulegen. Besonders insektenfreundlich sind so genannte verwildernde Arten wie Anemonen, Lerchensporn, Wildtulpen und Wildkrokusse, die sich selbst vermehren und im Laufe der Jahre wahre Blütenteppiche bilden. Schneeglöckchen, Winterlinge und Blausterne sind ebenso geeignete Vorfrühlingsboten, die in einem naturnahen Garten nicht fehlen sollten.
Wer an den ersten lauen Frühlingsabenden still im Garten sitzt und den Geräuschen der Nacht lauscht, kann sie keckern und fauchen oder schmatzend und schnaufend im Gebüsch rascheln hören: Die Igel haben nach rund fünfmonatigem Winterschlaf ihre geschützten Winterquartiere verlassen und durchstreifen auf der Suche nach Laufkäfern, Ohrwürmern, Nacktschnecken, Regenwürmern und Raupen ihr Revier. Durch den zunehmenden Verlust ihrer ursprünglichen Habitate in einer reich gegliederten, vielfältigen Feldflur mit Hecken, Gehölzen, Wegsäumen, Staudendickichten und artenreichen Magerwiesen sind die stacheligen Säugetiere zu einem typischen Kulturfolger geworden, der heute vorzugsweise naturnahe Gärten, Parkanlagen, Friedhöfe und Streuobstwiesen in menschlichen Siedlungen bewohnt. Hier macht ihnen vor allem die Zerschneidung ihres Lebensraumes durch ein dichtes Straßennetz zu schaffen: Alljährlich werden etwa eine halbe Million Igel von Autos überrollt. Eine weniger augenfälligere Bedrohung stellt der ungebrochene Trend zu öden Schottergärten und stark gepflegtem Einheitsgrün dar, in denen Igel weder ausreichend Nahrung noch geeignete Versteckmöglichkeiten sowie Schlaf- und Nestplätze in Hecken, Sträuchern, hohlen Bäumen, Reisig- und Laubhaufen finden.
Mit dem stetig steigenden Gebrauch von motorisierten Gartengeräten wie Freischneidern, Fadenmähern, Motorsensen und Mährobotern sind die beliebten Insektenfresser einer weiteren Gefahrenquelle ausgesetzt, die Igelstationen, Wildtierhilfen und Tierheimen in ganz Deutschland immer mehr Pfleglinge beschert. Dabei wird den Stachelrittern eine jahrtausendealte Verteidigungsstrategie zum Verhängnis: Bei Gefahr rollen sich die Tiere zu einer regungslosen Stachelkugel ein, so dass Gesicht, Bauch und Gliedmaßen verborgen und durch die nadelspitzen, starr aufgerichteten Stacheln geschützt sind. So können sie zwar Fressfeinde wie Marder, Iltis, Fuchs und Dachs erfolgreich abwehren, haben jedoch gegen motorisierte Gartengeräte keine Chance. Hinzu kommt, dass Freischneider von Gartenbesitzern, Hausmeistern und Bauhofbetreibern gerade dort eingesetzt werden, wo Igel ihre Schlaf- und Nestplätze einrichten, nämlich unter Büschen, an Heckenrändern und in verwilderten, überwucherten Ecken. Wurden früher im Frühjahr und Sommer nur wenige hilfsbedürftige Igel eingeliefert, die beim Kompostumsetzen mit Mistforken verletzt oder von einem Hund gebissen wurden, verzeichnen die Tierhilfen immer mehr Igel mit typischen Verletzungsmustern. „Die Tiere weisen tiefe Schnittwunden im Rückenbereich auf, manchmal sind sogar größere Flächen freigelegt“, beschreibt Karolin Schütte von der Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen die Verletzungen ihrer Patienten. „Häufig sind die Wunden bereits entzündet oder von Maden befallen“, ergänzt die Tierärztin und schätzt, dass rund ein Drittel der eingelieferten Tiere so schwer verletzt sind, dass sie sofort eingeschläfert müssen. Ein weiteres Drittel verstirbt trotz Behandlung und intensiver Pflege, so dass letztlich höchstens jeder dritte Igel wieder in die Freiheit entlassen werden kann.
Auch Mähroboter gehören zu den neuen Feinden der Igel. Die als fleißige Helfer angepriesenen Geräte kommen vor allem in Privatgärten zum Einsatz, wo sie stundenlang ihre Runden drehen und dabei Blühpflanzen, Insekten, Spinnen, Schnecken, Amphibien, Reptilien und kleinen Säugetieren den Garaus machen. Obwohl die Hersteller in den Bedienungsanleitungen darauf hinweisen, dass Mähroboter möglichst tagsüber und unter Aufsicht arbeiten sollen, sind die autonomen Geräte oft nachts unterwegs. Dann tragen sie nicht nur zur Verringerung der Artenvielfalt bei, sondern gefährden auch nachtaktive Tiere, die auf Nahrungssuche über den Rasen stromern. „Verletzungen durch Mähroboter sind besonders grausam“, weiß Karin Oehl, die sich seit über vierzig Jahren für den Schutz der Stacheltiere einsetzt. „Zerschnittene Oberkiefer und Nasen, fehlende Augen, offenliegende Gehirne“, berichtet die 75-jährige Igelmutter aus Nordrhein-Westfalen. „Ich hatte hier in der Station in neun Tagen elf Igel, die starben oder euthanasiert werden mussten. Das erträgt kein Mensch mehr, was da abgeht“.
Um Igel, Jungvögel und andere Gartenbewohner nicht zu gefährden, empfiehlt der Naturschutzbund Heidekreis (NABU), am besten gänzlich auf den Einsatz von Mährobotern, Freischneidern & Co zu verzichten und mehr Wildnis im eigenen Umfeld zu wagen. Giftfreie, naturbelassene Gärten mit heimischen Büschen und Hecken, Blühwiesen statt kurzgeschorener Rasenflächen, wuchernden Ranken und Laubhaufen helfen nicht nur Igeln, sondern tragen generell zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Wer trotzdem motorisierte Geräte einsetzten möchte, sollte darauf achten, dass Mähroboter grundsätzlich nur am Tage laufen. Außerdem müssen Rasenflächen, Gebüsche und andere Einsatzorte vorher kontrolliert und Wildtiere in Sicherheit gebracht werden, zumal es nach §44 BNatSchG verboten ist, wild lebende Tiere ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen, zu verletzen oder zu töten sowie ihre Lebensstätten zu beeinträchtigen und zu zerstören.
Wertvolle Tipps zur Anlage naturnaher Gärten finden Interessierte auf den Internetseiten des Naturschutzbundes unter www.nabu.de, umfangreiche Informationen zum Thema Igel gibt es bei Pro Igel e.V. (www.pro-igel.de) und der Igelschutz-Interessengemeinschaft e.V. (www.igelschutz-ev.de).
Dr. Antje Oldenburg
Pressesprecherin NABU Heidekreis e.V.
Der Naturschutzbund Heidekreis e.V. (NABU) trifft sich am Dienstag, den 11. Februar, um 19.30 Uhr zu einem offenen Arbeits- und Informationsabend im Gasthaus Meding in Dorfmark. Sowohl Neumitglieder als auch Nicht-Mitglieder sind herzlich eingeladen, sich mit eigenen Ideen und Vorschlägen in die Vereinsarbeit einzubringen. Neben aktuellen Themen, Veranstaltungen und Betätigungsfeldern wird Aribert Heidt aus Ahlden sein ambitioniertes Waldpflanzprojekt vorzustellen. Der engagierte Diplomforstwirt möchte zusammen mit Grundeigentümer, Sponsoren und Pflanzaktivisten kleinere und größere Baumpflanzaktionen durchführen, die von fachkompetenter Seite angeleitet und organisiert werden. Zurzeit laufen die Vorbereitungen auf allen Ebenen auf Hochtouren, um verschiedene Akteure wie Grundeigentümer, Forstleute, FFF-ler, Lehrer/innen, Schulklassen und Umweltverbände zu informieren und für das Klima- und Artenschutzprojekt zu gewinnen.