Pressemitteilung - Dezember 2022

Illegale Jagd auf Wasservögel in Niedersachsen

NABU fordert Einrichtung einer Schwerpunkt-Staatanwaltschaft Umweltkriminalität

Bläss- und Saatgänsetrupp in der Allerniederung (Foto: F.U. Schmidt)
Bläss- und Saatgänsetrupp in der Allerniederung (Foto: F.U. Schmidt)

Heidekreis. Die Allerniederung zwischen Schwarmstedt und Verden mit ihren Altarmen und Tümpeln, Auwaldresten, Gehölz- und Baumgruppen sowie offenen, teils durch Hecken strukturierten Grünländereien ist nicht nur für Brutvogelarten des Feucht­grünlandes und den Erhalt charakteristischer Lebensgemeinschaften der Tief­landflüsse von besonde­rer Bedeu­tung, sondern gilt - in Abhängigkeit von Hochwasserereig­nissen, Witterungsbedin­gungen und Nahrungsangebot - auch als wichtiges Rast- und Über­winterungsgebiet für ver­schiedene Wasservogelarten. So sind leicht  überschwemmte Wie­sen vor allem bei Saat- und Blässgän­sen beliebt, die nach einer drei- bis viertausend Kilo­meter langen Reise aus ihren arktischen Brutgebieten im Allertal Rast machen, bevor sie in ihre Win­terquartiere am Nie­derrhein und in den Niederlanden weiterfliegen. Zwischen Mitte Oktober und Anfang März lassen sich alljährlich große Gänseschwärme mit bis zu 3000 In­dividuen beobachten, die laut rufend ihre Schlafplätze aufsuchen oder auf abgeernteten Maisäckern und mit Wintersaat oder Raps be­stellten Feldern nach Nahrung suchen.

 

Da ziehende und überwinternde Wildgänse und Schwäne in vielen Küstenregionen sowie den Niederungen von Elbe, Aller, Weser und Ems geeignete Rastlebensräume vorfinden, hat Niedersachsen eine hohe Verantwortung für ihren Schutz. Waren es bislang vor allem Kon­flikte mit Landwirten, die es zu lösen, und Störungen durch Flugzeuge, Hubschrauber und Freizeitnutzungen, die es zu vermeiden galt, so drohen illegale Jagd und Fehlabschüsse zu einer weiteren Gefahr für die geschützten Vögel zu werden. „Der Abschuss von Saat- und Blässgänsen ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat, die entsprechend geahndet wer­den muss“, kommentiert der 1. Vorsitzende des NABU Heidekreis, Klaus Todtenhausen, einen Fall, der im Vogelschutzgebiet „Niedersächsische Mittelelbe“ im Landkreis Lüneburg von Augenzeugen beobachtet wurde. Leider seien Polizei, Jagd- und Naturschutzbehörden sowie Staatsanwaltschaften häufig nicht willens oder fähig, konsequent gegen illegale Jagd­praktiken und andere Formen von Natur- und Umweltkriminalität vorzugehen, wie einmal mehr der Fund von 37 toten Gänsen bei Twist im Landkreis Emsland zeige. Zwar sei im Rahmen einer ersten Untersuchung eine Graugans bestimmt worden, doch gebe es erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei allen Opfern um Graugänse gehandelt habe, da die im Ems­land überwinternden Gänsetrupps überwiegend aus Saat- und Blässgänsen bestehen und eine Unterscheidung der verschiedenen Arten fundierte Kenntnisse sowie gute Optik und Sicht­verhältnisse voraussetze. Dennoch wurde auf die Artbestimmung sämtlicher toter Gänse verzichtet.

 

Ähnlich nachlässig wurde im letzten Jahr bei dem Totfund mehrerer streng geschützter und aufgrund massiver Bestandsrückgänge selten gewordener Zwergschwäne in einem Natur­schutzgebiet im Emsland vorgegangen. Dank einer im Rahmen eines NABU-Projektes er­folgten Besenderung konnten die offenbar an Schussverletzungen gestorbenen Vögel zwar in einem Anhänger tot geborgen werden, doch wurde die Verfolgung vorerst eingestellt, weil der Täter behauptet, die Tiere nur von ihrem Leid erlöst zu haben – eine Be­hauptung, die weder durch die Auswertung der Senderdaten noch durch die Obduktion be­legt werden konnte. 

 

Diese kleine Auswahl an Beispielen lege die Vermutung nahe, dass naturschutzfachliche Aspekte sowie die Vorgaben der Jagd- und Naturschutzgesetze auch in Niedersachsen immer weniger Beachtung finden. „Wer glaubt, illegale Vogeljagd und Wilderei seien auf Südeu­ropa, Afrika und Asien beschränkt, irrt gewaltig“, sagt Pressesprecherin Dr. Antje Olden­burg. So gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2018 hervor, dass in Deutschland illegale Fallen, Vergiftun­gen und Abschüsse vor allem für Greifvögel, Luchse, Wölfe und Fischotter eine ernste Ge­fahr für ihre Bestandsentwicklung darstellten und man außerdem aufgrund mangelnder Kon­trollen von einer hohen Dunkelziffer auszugehen könne. „Wir schließen uns deshalb der Forderung unseres Landesverbandes an, so schnell wie möglich eine Schwerpunkt-Staatsan­waltschaft oder eine Stabsstelle Umweltkriminalität aufzubauen, um jagd- und naturschutz­rechtliche Delikte effektiv zu bekämpfen und durch die Vernetzung von Behörden und Ver­bänden so­wie durch die professionelle Begleitung von Strafverfahren die Anzahl an Schuldsprüchen deutlich zu erhöhen.“