Pressemitteilung - November 2023

Das schwedische Modell – ein Vorbild für Deutschland?

Wolf (Foto: Jürgen Boris)
Wolf (Foto: Jürgen Boris)

In Schweden, so war auf der Podiumsdiskussion der Walsroder Zeitung am letzten Montag von dem Vizepräsidenten des niedersächsischen Landvolkes Jörn Ehlers zu hören, funkti­oniere die legalisierte Wolfsjagd gut. Es gebe einen festgelegten Mindest­wolfsbestand, eine jährliche Abschussquote und wolfsfreie Regionen. „Lei­der bekam Thomas Mitschke vom Freundeskreis freilebender Wölfe, der dankenswerter­weise bereit war, an meiner Stelle auf dem Podium Platz zu nehmen, nicht die Gelegenheit, zu dieser Aussage Stellung zu nehmen“, sagte Dr. Antje Oldenburg, Pressesprecherin des NABU Heidekreis, die ihre Teilnahme leider krankheitsbedingt absagen musste. „Uns ist daher sehr daran gelegen, über die rechtlichen und biologischen Konsequenzen der schwedi­schen Vorgehensweise zu informieren.“ Denn nicht nur das Landvolk, auch die Jägerschaft und ver­schiedene Nutztierhalterverbände verweisen immer wieder auf das EU-Mitglied Schweden, das unter den Befürwortern von Wolfsjagden als vorbildhaft gilt.

 

Seit 2011 sind bei der EU drei Vertragsverlet­zungsverfahren gegen Schweden anhängig, weil Lizenzjagden nach Auffas­sung der Europäischen Kommission der FFH-Richtlinie zuwider­laufen. So heißt es in der Presseerklärung zum letzten Verfahren, dass „Schwedens Handeln ins­besondere deswegen rechtswidrig [ist], weil das Land zufriedenstellende Alter­nativlösun­gen nicht in Betracht gezogen hat und nicht sicherstellt, dass die Li­zenzjagden nur unter strenger Aufsicht, auf selektiver Grundlage und in be­grenztem Umfang durchgeführt werden. Schweden hat außerdem nicht nachge­wiesen, dass die Bejagung das Anwachsen der lokalen Wolfspopulationen auf den „günstigen Erhaltungszustand“ nicht gefährdet.“ (zitiert in: Wis­senschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 8-3000-002/23, S. 14) 

 

Trotzdem hat Schweden Anfang dieses Jahres zu der größten Wolfsjagd seit Wiedereinfüh­rung der Lizenzjagd geblasen und insgesamt 75 Wölfe zum Ab­schuss freigegeben, nachdem die Wolfspopulation auf ungefähr 460 Tiere an­gewachsen war und damit deutlich über den 300 Wölfen lag, auf die Norwegen und Schweden sich einst als „kleinste überlebensfähige Population“ geeinigt hatten. Die Zahl der Wölfe in Schweden sei zu hoch, die Population nicht be­droht, sondern auf einem Rekordniveau, hieß es vonseiten des Verbandes der schwe­dischen Jäger, der ebenso wie der Reichstag der wissenschaftlich längst widerlegten Auffas­sung ist, dass sich die Akzeptanz der Wolfes in der ländli­chen Bevölkerung durch Bejagung erhöhen lässt. Dabei hatte ein Forscherteam der Universität Stockholm bereits nach Be­kanntwerden der Jagdpläne im Som­mer 2022 nachdrücklich vor ihrer Umsetzung gewarnt und die Regierung in ei­nem in der Fachzeitschrift Science publizierten offenen Brief aufge­fordert, un­verzüglich geeignete Maßnahmen zum Erhalt der durch Inzucht stark gefährde­ten skandinavischen Wolfspopulation einzuleiten. Da in den traditionellen Ren­tiergebieten der Samen im Norden des Landes keine Wölfe geduldet werden, ist die auf drei Gründertiere zurückgehende Population in Mittelschweden weitge­hend isoliert, nur sehr wenige Wölfe aus der karelischen Population in Finnland schaffen es, lebend durch den „wolfsfreien“ Kor­ridor nach Mittelschweden zu gelangen und dort für „frisches Blut“ zu sorgen. Als Folge der restriktiven Wolfspolitik ist der Inzuchtkoeffizient in der schwedischen Population mit 0,23 sehr hoch und ungefähr mit dem einer Verpaarung unter Geschwistern ver­gleichbar. Da die Inzucht bereits nachweislich zu einer Reduzierung der Repro­duktion, Fortpflanzungsstörun­gen bei Rüden und anatomischen Anomalien ge­führt hat, kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass die Population wach­sen und mehr genetische Vielfalt aufweisen muss, um überlebensfähig zu sein. Sie halten die Etablierung einer Metapopulation für erforderlich, die Norwegen, Schweden und Finnland umfasst, einen regen genetischen Austausch aufweist und mehr als 2000 Wölfe zählt. Die Frage, ob Schweden ein Vorbild sein kann, beant­wortet sich damit von selbst.

 

 

 

Quellen zum Nachlesen:

 

Hoberg, Jamie, Treves, Adrian, Shaw, Bret, Naughton-Treves, Lisa (2016): Changes in attitudes toward wolves before and after an inaugural public hunting and trapping season: early evidence from Wisconsin’s wolf range. Environmental Conservation (2016) 43 (1): 45–55.

 

Laikre, Linda et al. (2022): Planned cull endangers Swedish wolf population. Sciene Juli 2022, Vol. 377, S. 162, https://doi.org/10.1126/science.add5299.

 

Smeds, Linnéa et al. (2022):  From high masked to high realized genetic load in inbred Scandinavian wolves, Molecular Ecology (2022), DOI:10.1111/ mec.16802

 

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (2018): Vereinbarkeit der Ausweisung „wolfsfreier Zonen“ mit dem Naturschutzrecht. 7-3000-225/18, 11 Seiten.

 

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (2023): Zu Wolfsentnahmen in Schweden im Lichte des Artenschutzrechts. 8-3000-002/23, 15 Seiten.