Wer die ersten lauen Frühlingsabende still im Garten gesessen und den Geräuschen der Nacht gelauscht hat, konnte sie vielleicht schon keckern und fauchen oder schmatzend und schnaufend im Gebüsch rascheln hören: Die Igel sind aus ihrem Winterschlaf erwacht und durchstreifen auf der Suche nach Laufkäfern, Ohrwürmern, Nacktschnecken, Regenwürmern und Raupen ihr Revier. Durch den zunehmenden Verlust seiner ursprünglichen Habitate in einer reich gegliederten, vielfältigen Feldflur mit Hecken, Gehölzen, Wegsäumen, Staudendickichten und artenreichen Magerwiesen sind die Stacheltiere zu einem typischen Kulturfolger geworden, der heute vorzugsweise naturnahe Gärten, Parkanlagen, Friedhöfe und Streuobstwiesen in menschlichen Siedlungen bewohnt. Hier macht ihnen vor allem die Zerschneidung ihres Lebensraumes durch ein dichtes Straßennetz zu schaffen: Alljährlich werden etwa eine halbe Million Igel von Autos überrollt. Weniger augenfälligere Bedrohungen stellen Keller- und Lichtschächte sowie Gartenteiche mit steilen, rutschigen Kanten dar, die nicht selten zu einer tödlichen Falle werden. Auch der ungebrochene Trend zu öden Schottergärten und stark gepflegtem Einheitsgrün, in denen sie weder ausreichend Nahrung noch geeignete Versteckmöglichkeiten sowie Schlaf- und Nestplätze in Hecken, Sträuchern, hohlen Bäumen, Reisig- und Laubhaufen finden, trägt zu dem seit zwanzig Jahren anhaltenden Bestandsrückgang des „Tier des Jahres 2024“ bei.
Mit dem stetig steigenden Gebrauch von motorisierten Gartengeräten wie Freischneidern, Fadenmähern, Motorsensen und Mährobotern sind die beliebten Insektenfresser einer weiteren Gefahrenquelle ausgesetzt, die Igelstationen und Wildtierhilfen in ganz Deutschland eine stetig ansteigende Anzahl an Pfleglingen beschert. Dabei wird den Stachelrittern eine jahrtausendealte Verteidigungsstrategie zum Verhängnis: Bei Gefahr rollen sich die Tiere zu einer regungslosen Stachelkugel ein, so dass Gesicht, Bauch und Gliedmaßen verborgen und durch die nadelspitzen, starr aufgerichteten Stacheln geschützt sind. So können sie zwar Fressfeinde wie Marder, Iltis, Fuchs und Dachs erfolgreich abwehren, haben jedoch gegen motorisierte Gartengeräte keine Chance. Hinzu kommt, dass Freischneider gerade dort eingesetzt werden, wo Igel ihre Schlaf- und Nestplätze einrichten, nämlich unter Büschen, an Heckenrändern und in verwilderten, überwucherten Ecken. Wurden früher im Frühjahr und Sommer nur wenige hilfsbedürftige Igel eingeliefert, die beim Kompostumsetzen mit Mistforken verletzt oder von einem Hund gebissen wurden, so verzeichnen die Tierhilfen immer mehr Igel, die tiefe, teils entzündete oder von Maden befallene Schnittwunden im Rückenbereich aufweisen.
Auch Mähroboter gehören zu den neuen Feinden der Igel. Von 2015 bis 2021 hat sich der Umsatz mit den autonomen Geräten nach Informationen des Marktforschungsinstituts GfK von rund 112 auf 242 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die als fleißige Helfer angepriesenen Geräte kommen vor allem in Privatgärten zum Einsatz, wo sie stundenlang ihre Runden drehen und dabei Blühpflanzen, Insekten, Spinnen, Schnecken, Amphibien, Reptilien und kleinen Säugetieren den Garaus machen. Obwohl die Hersteller in den Bedienungsanleitungen darauf hinweisen, dass Mähroboter möglichst tagsüber und unter Aufsicht arbeiten sollen, sind die autonomen Geräte oft nachts unterwegs. Dann tragen sie nicht nur zur Verringerung der Artenvielfalt bei, sondern gefährden auch nachtaktive Tiere, die auf Nahrungssuche über den Rasen stromern und den nahezu lautlos heranfahrenden Mähroboter nicht als Gefahr wahrnehmen. Denn entgegen landläufiger Meinung sind selbst mit Sensoren und Kameras ausgestattete Modelle nicht in der Lage, die schutzlosen Kleintiere zu erkennen. Die Folge: Die Anzahl durch Mähroboter schwer verletzter und verstümmelter Igel, die typische Verletzungsmuster im Gesicht und am Kopf aufweisen, nimmt kontinuierlich zu und führt deutschlandweit immer häufiger zu überfüllten Stationen und Pflegestellen, die aufgrund fehlender personeller, räumlicher, zeitlicher und finanzieller Ressourcen ohnehin bereits an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten.
Um das sinnlose Leiden zu beenden oder wenigstens zu reduzieren, haben Vertreterinnen verschiedener Igelstationen aus dem Rhein-Erft-Kreis bereits im Oktober 2021 in einem persönlichen Gespräch dem zuständigen Abteilungsleiter des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz die dramatische Situation geschildert und ein generelles Nachtverbot für Mähroboter gefordert. Passiert ist seither nichts. „Solange der Gesetzgeber wider besseren Wissens untätig bleibt, können wir nur auf Aufklärung setzen und eindringlich an die Einsicht der Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer appellieren“, fasst Dr. Antje Oldenburg, Pressesprecherin des NABU Heidekreis, die derzeitige Lage zusammen. Aus Sicht des Naturschutzvereins sollte man am besten mehr Wildnis im eigenen Umfeld wagen und gänzlich auf den Einsatz von Mährobotern, Freischneidern & Co verzichten, um Igel, Jungvögel und andere Gartenbewohner nicht zu gefährden. Giftfreie, naturbelassene Gärten mit heimischen Büschen und Hecken, Blühwiesen statt kurzgeschorener Rasenflächen, wuchernden Ranken und Laubhaufen helfen nicht nur Igeln, sondern tragen generell zum Erhalt der Artenvielfalt bei.
Der NABU Niedersachsen hat für alle Igelfans ein kleines Info-Paket zusammengestellt, das aus einer Bauplansammlung für Igelburgen und einer Farbbroschüre besteht, die neben Informationen zur Lebensweise und zum Schutz von Igeln auch viele praktische Tipps zur „igelfreundlichen“ Gartengestaltung enthält. Das Info-Paket kann gegen Einsendung von Briefmarken oder einem Verrechnungsscheck in Höhe von 5 Euro beim NABU Niedersachsen angefordert werden - Stichwort Igel, Alleestr. 36, 30167 Hannover.