Heidekreis. Die vor fast einem Vierteljahrhundert verabschiedete EU-Wasserrahmenrichtlinie gilt als Meilenstein des Gewässerschutzes. Durch europaweite Standards und verbindliche Zeitpläne sollten bis 2015 sämtliche Gewässer in einen guten ökologischen und chemischen Zustand gebracht werden. Seither ist viel Wasser die Aller hinuntergeflossen, doch wie der jüngste Bericht der Europäischen Umweltagentur zeigt, sind Seen, Flüsse, Bäche und Küstengewässer noch immer erheblich durch Verschmutzung, Lebensraumverschlechterung, Auswirkungen des Klimawandels und Übernutzung der Süßwasserressourcen belastet. Auch in Deutschland haben, so das Ergebnis der ARD-Mitmachaktion „Unsere Flüsse“, über drei Viertel aller untersuchten Gewässer eine mäßige bis schlechte Lebensraumqualität, darunter auch Wölpe, Brunau und Alvernsche Aue, die sich in einem unbefriedigender Zustand befinden.
Angesichts dieser besorgniserregenden Situation ist es umso unverständlicher, dass der vom niedersächsischen Umweltministerium vorgelegte Entwurf „Leitfaden und Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Bibern in Niedersachsen“ auf Fragen der Konfliktbewältigung fokussiert statt die Rückkehr des Bibers als Chance für den dringend erforderlichen Auenschutz zu begrüßen. Als Lebensadern der Landschaft sind intakte Auen für den Erhalt der biologischen Vielfalt, den Wasser- und Stoffhaushalt, den länderübergreifenden Biotopverbund und den Hochwasserschutz von erheblicher Bedeutung. „Selbst stark beeinträchtigte Auenökosysteme können sich nach Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen regenerieren, doch dafür braucht man einen langen Atem und ein volles Portemonnaie“ erklärt Anne Stamm vom NABU Heidekreis. „Biber tragen hingegen zum Nulltarif zur Flussrenaturierung bei, denn sie sind wie kaum ein anderes Tier in der Lage, ihre Umgebung nach ihren Bedürfnissen umzuformen.“ Dabei gestalten sie nicht nur ihr eigenes Zuhause, sondern tragen durch die Schaffung neuer Lebensräume für Libellen, Amphibien, Reptilien, Fische und Vögel gleichzeitig zur Förderung der Artenvielfalt bei.
„Wir sollten den positiven Einfluss der Biber auf unsere Flusslandschaften hervorheben und ihnen mehr Gestaltungsspielraum geben statt am „Runden Tisch Biber“ über Entschädigungsfragen und mögliche Eingriffe in die Biberpopulation zu debattieren“, resümiert Pressesprecherin Dr. Antje Oldenburg und zieht eine Parallele zum Umgang mit dem Wolf: „Was passiert, wenn man eine Tierart ausschließlich unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Schäden betrachtet und ihre ökologische Funktionen völlig außer Acht lässt, erleben wir gerade beim Wolf. Das Ergebnis ist eine ebenso unwissenschaftliche wie unverantwortliche Politik, die Partikularinteressen bedient und den Zielen des Nature Restoration Law zuwiderläuft. Denn für die zwingend notwendige Wiederherstellung und Stabilisierung unserer Land- und Wasserökosysteme sind Wölfe und Biber unverzichtbar.“