Pressemitteilung - September 2022

Schützen statt schießen

NABU Heidekreis hält Abschusspläne des Umweltministers für unbegründet

Wolfsabweisender 6-reihiger Elektro-Festzaun in der Pferdehaltung (Foto: Peter Schütte/NABU-Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“)
Wolfsabweisender 6-reihiger Elektro-Festzaun in der Pferdehaltung (Foto: Peter Schütte/NABU-Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“)

Kaum vier Wochen sind vergangen, seit sich ein Jungwolf auf Reviersuche in die Landeshauptstadt verirrte und tagelang die Presse, die Bevölkerung und die Behörden in Atem hielt, obwohl er das unwirtliche Gelände längst verlassen und so der Panik schürenden, jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrenden Forderung des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies nach einer Abschussgenehmigung den Boden entzogen hatte. Nun sind, wie es in einer Pressemitteilung vom 6. September heißt, „einzelne regional besonders auffällige Wölfe“ in den Landkreisen Wittmund und Friesland ins Visier des Ministers geraten, für die eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung in Arbeit sei. „Worauf diese Entscheidung gründet, erschließt sich uns nicht“, kommentiert Dr. Antje Oldenburg, Pressesprecherin des Naturschutzbundes Heidekreis, das Vorgehen des Umweltministeriums. Zwar habe es in den letzten Wochen in der Region mehrere Übergriffe auf Rinder und Schafe gegeben, doch seien die Tiere nicht ausreichend geschützt gewesen. „Es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass der für die Gewährung von Billigkeitsleistungen bei Wolfsübergriffen auf Schafe und Ziegen erforderliche Mindestschutz mit 90 cm hohen Elektronetzen ein Kompromiss zwischen Arbeitsaufwand und Sicherheit ist, der weder den Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz entspricht noch Wolfsangriffe am effektivsten abwen­det“, stellt Vorsitzender Klaus Todtenhausen klar. Die Überwindung des Mindestschutzes könne daher nicht als Grundlage für artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen herangezogen werden. Außerdem entbehre die seit Jahren vom Ministerium vertretene Auffassung, Rinder und Pferde seien per se in der Lage, sich selbst zu verteidigen, jeder wissenschaftlichen Grundlage. Zu dieser Einschätzung komme auch der jüngst erschienene Schadens- und Präventionsbericht 2021 der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW), der individuelle und rassebedingte Unterschiede konstatiert und ausdrücklich darauf hinweist, dass auch Rinder erfolgreich durch geeignete Maßnahmen, wie etwa 1,20 cm hohe fünfreihige Elektrozäune, geschützt werden können.

 

Der Schadens- und Präventionsbericht zeige außerdem, dass die Nutztierrisse in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken sind (2020: 1477 Tiere, 2021: 842 Tiere) und Schäden vor allem dort auftreten, wo bislang keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen wurden. „Wenn sich, wie im Landkreis Wittmund, ein neues Wolfsrudel etabliert hat, sollte es die vordringlichste Aufgabe der Behörden sein, so schnell wie möglich für eine flächendeckende, fachgerechte Anwendung geeigneter Herdenschutzmaßnahmen zu sorgen. Populistisches Agieren löst den uralten Konflikt zwischen Viehhaltung und Wolf nicht, sondern befeuert ihn“, ist sich Dr. Antje Oldenburg sicher. Entscheidend für das Ausmaß der Schäden an Nutztieren sei, wie Vergleiche zwischen verschiedenen europäischen Ländern zeigten, nicht die Größe der Wolfsbestände oder die Anzahl der Nutztiere, sondern wie gut oder schlecht sie vor Wolfsübergriffen geschützt sind. Der NABU Heidekreis erwartet daher von der nächsten Landesregierung eine fachlich fundierte, EU-rechtskonforme Wolfspolitik, die auf Information und Aufklärung über die streng geschützte Tierart setzt und die Förderung und Umsetzung national wie international bewährter und empfohlener Herdenschutzmaßnahmen in den Mittelpunkt stellt.


Wolfsabweisender 6-reihiger Elektro-Festzaun in der Rinderhaltung (Foto: NABU Heidekreis)
Wolfsabweisender 6-reihiger Elektro-Festzaun in der Rinderhaltung (Foto: NABU Heidekreis)
Kombinierter Herdenschutz mit Kangals und mobilen Elektronetzen in der Schafhaltung  (Foto: NABU Heidekreis)
Kombinierter Herdenschutz mit Kangals und mobilen Elektronetzen in der Schafhaltung (Foto: NABU Heidekreis)