Pressemitteilung - Januar 2022

Zerschneidung und Zerstückelung der Natur- und Kulturlandschaft nicht zielführend

NABU Heidekreis plädiert für Festhalten an Alpha-E-Konzept

Wie jüngst bekannt wurde, will die Deutsche Bahn nicht mehr an dem 2015 im Dialogforum Schiene-Nord mit breiter Mehrheit verabschiedeten Ergebnis des bedarfsgerechten Ausbaus von Bestandstrecken im Dreieck Bremen-Hamburg-Hannover, der so genannten „Alpha-Variante E“, festhalten, sondern hat erneut den bereits ad acta gelegten Neubau entlang der A7 ins Spiel gebracht. Als hätte es den vorangegangenen Dialogprozess nie gegeben, werden nun neue Grobkorridore zur Trassenfindung präsentiert, die aufgrund unüberwindlicher Raumwiderstände zum Scheitern verurteilt sind. So entstehe der Eindruck, dass die Deutsche Bahn und das bundesdeutsche Verkehrsministerium ihre Wunschtrasse ohne Achtung der Schutzgüter Mensch, biologischen Vielfalt, Boden, Wasser, Klima und Landschaft festlegen und die Dialogprozesse lediglich als Feigenblatt dienen. „Eine solche Vorgehensweise führt unweigerlich zu Konflikten, zerstört das Vertrauen in Dialog- und Beteiligungsprozesse und verringert die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger“, gibt der Vorsitzende des Natur­schutzbundes Heidekreis, Klaus Todtenhausen, zu bedenken. „Nach unserer Auffassung ist die Verbesserung des schienengebundenen Personen- und Güterverkehrs im Zuge der drin­gend notwendigen Verkehrswende unabdingbar, doch müssen die Vorhaben mit dem Natur- und Landschaftsschutz vereinbar sein“. Da ein Neubau fernab bestehender Trassen zu einem erhöhten CO2-Ausstoß führe und mehr Ressourcen verbrauche als ein Ausbau von Bestands­strecken, würden die Ziele des Klimaschutzes letztlich konterkariert. Auch beim Ausbau von Bahnstrecken gelte es, den Flächenverbrauch so gering wie möglich zu halten, da mit jeder für Verkehrs- und Siedlungszwecke in Anspruch genommenen Fläche die Lebensraumfunk­tionen, die Fruchtbarkeit und die Wasserdurchlässigkeit des Bodens beeinträchtigt werden. 

 

Außerdem haben lineare Verkehrsinfrastrukturen und die damit einhergehende Fragmentie­rung der Landschaft erhebliche Auswirkungen auf  natürliche Lebensräume und die in ihnen vorkommenden Tier- und Pflanzengesellschaften. Zwar verlieren vor allem im Straßenver­kehr Jahr für Jahr Millionen von Säugetieren, Vögeln und Amphibien ihr Leben, doch auch der Bahnverkehr gefährdet größere Säugetier- und Vogelarten und kann sich negativ auf ihre Bestände auswirken. Je dichter das Verkehrswegenetz, desto stärker schränkt die Zerschnei­dung und Zerstückelung der Landschaft Wanderbewegungen und damit auch die Ausbrei­tung und Besiedlung neuer Lebensräume ein. Ehedem funktionierende Wanderkorridore und Verbundsysteme werden unterbrochen, es kommt zur Isolierung von Teilpopulationen und damit zu genetischer Verarmung und Inzucht und letztlich einem weiteren Verlust an Bio­diversität. „Die globale Zwillingskrise aus sich gegenseitig bedingendem Artensterben und Klimawandel lässt sich nicht mit überkommenen Denk- und Handlungsmustern lösen, son­dern erfordert grundlegende Veränderungen unserer Ökonomie, unseres Sozialverhaltens und unserer Wertvorstellungen“, stellt Pressesprecherin Dr. Antje Oldenburg klar. „Es reicht längst nicht mehr aus, fossile Energien durch erneuerbare Energien zu ersetzen und in aller Welt produzierte Konsumgüter auf der Schiene oder mit Elektro-LKWs durch die Gegend zu karren, um sie nach kurzer Gebrauchszeit erneut tausende von Kilometern zwecks Entsor­gung zu transportieren. Wir müssen den Energie- und Ressourcenverbrauch deutlich senken und die Ökosysteme in unsere Lösungsstrategien einbeziehen. Wir brauchen, wie der re­nommierte Soziologe Harald Welzer, es ausdrückt, eine Kultur des Aufhörens.“ 

 

Bei der weiteren Planung müsse man sich daher von den beiden starren Vorgaben „Fahrzeit“ und „300 km/h Höchstgeschwindigkeit“ verabschieden, die einen Neubau zwingend erfor­derlich machen würden. Wie ein Gutachten zeige, kann auch in einem anderen Rhythmus und mit leicht differenzierten Knotenpunkten der Deutschlandtakt im Bahnverkehr als zum innerdeutschen Flugverkehr konkurrierendes Verkehrsmittel trassennah realisiert und somit die weitere Zerschneidung der Natur- und Kulturlandschaft mit allen daraus resultierenden Folgeerscheinungen verhindert werden.