Pressemitteilung - August 2022

Sinnlos und unethisch

NABU Heidekreis spricht sich gegen Jagd auf Rabenvögel aus

Heidekreis.Wie in jedem Jahr hat in Niedersachsen am 1. August die Jagd auf Rabenkrähen und Elstern begonnen – willkommener Anlass für Jagdausstatter, mit Sonderangeboten für Waffen, Lockinstrumente und Tarnbekleidung zu werben und Selbstladeflinten, Lockkrähen, Krähenlocker sowie Tarnmasken, -handschuhe, -anzüge und -netze für die als besonders „reiz- und anspruchsvolle“ Jagd an den Mann oder die Frau zu bringen. Als ginge es bei dem massenhaften Abschuss der intelligenten Vögel um eine ebenso spaßige wie herausfordernde Sportart, posieren erfolgreiche Schützen mit strahlenden Gesichtern auf YouTube und in Jagdmagazinen vor ihren aufgereihten Opfern. 

 

Besonders perfide erscheinen die angepriesenen Lockinstrumente, die heute zur Standardaus­rüstung der Krähenjäger zählen: Mit auf Feldern aufgestellten Attrappen, die Krähen bei der Nahrungssuche simulieren, werden die schwarzen Gesellen angelockt und – kaum haben sie sich auf dem Acker niedergelassen – abgeschossen. Weitere Beispiele sind der Krähenlocker und die Krähentodesklage, die sich das ausgeprägte Sozialverhalten der Rabenkrähen zunutze machen. Während der Krähenlocker den Angstschrei einer sterbenden Krähe nach­ahmt, simuliert die Krähentodesklage den Klageschrei, den eine Krähe erzeugt, wenn eine andere stirbt. Auf beide Laute reagieren die sich in der Umgebung befindenden Krähen und versammeln sich bei dem vermeintlich schreienden Vogel, um zu helfen.

 

Begründet wird der organisierte Massenabschuss des so genannten „Raubzeugs“, dem allein in Niedersachsen 2020/21 insgesamt 96.746 Rabenkrähen und 20.010 Elstern zum Opfer ge­fallen sind, mit veralteten Argumenten. So wird zum einen behauptet, dass Rabenkrähen als Nesträuber und Niederwildschädlinge bei unkontrollierter Ausbreitung dem Bestand anderer Tiere, insbesondere von Hasen sowie Bodenbrütern wie Braunkehlchen, Rebhuhn und Kie­bitz schaden und gemeinsam mit anderen Raubtieren wie Fuchs, Marder und Hermelin sogar zum regionalen Erlöschen einiger Arten beitragen würden. Wie verschiedene wissenschaftli­che Untersuchungen und Studien zeigen, sind jedoch nicht Rabenvögel und Beutegreifer für den dramatischen Rückgang verschiedener Bodenbrüter verantwortlich, sondern die Versie­gelung und Zerschneidung der Lebensräume sowie die intensive Landwirtschaft, die zu ei­nem zunehmenden Verlust an intakten Habitaten, Rückzugsmöglichkeiten und Nahrungs­quellen geführt haben. Dieser Trend mit seinen negativen Folgen für viele Pflanzen- und Tierarten der Kulturlandschaft lässt sich nur durch die Abkehr von der modernen, industriali­sierten Landwirtschaft aufhalten und durch den konsequenten Umbau zu einer nachhaltigen, ökologischen Flächennutzung umkehren.

 

Zum anderen würden die Samen und Keimlinge fressenden Vögel erhebliche Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen anrichten und durch ihr Krächzen Anwohnerinnen und An­wohner stören. Die von Krähen verursachten Schäden beschränken sich jedoch vorrangig auf die Beschädigung von Silofolien und werden durch den Nutzen, den Krähen durch das Ver­tilgen von Insekten und Mäusen für die Landwirte haben, mehr als wettgemacht.

„Wie die Statistik des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten zeigt, werden die Bestände der Rabenvögel durch die flächendeckende Bejagung nicht wie beabsichtigt reduziert, sondern bewegen sich bundesweit auf einem weitgehend konstanten Niveau, weil die verbliebenen Vögel mit einer verstärkten Bruttätigkeit reagieren, um die Verluste auszugleichen“, erläutert die Pressesprecherin des NABU Heidekreis, Dr. Antje Oldenburg. Ein weiteres Problem sei, dass besonders geschützte Arten wie die Dohle und die gefährdete Saatkrähe häufig mit den ähnlich aussehenden Rabenkrähen zusammenfliegen und uninformierte Jäger nicht zwischen den verschiedenen Rabenvogelarten differenzieren. Der NABU Heidekreis betrachtet die Bejagung von Rabenvögeln aus den genannten Gründen als sinnlos und lehnt sie aus ökologi­schen, naturschutzfachlichen und ethischen Gründen ab. 

 

Weitere Informationen: Dr. Antje Oldenburg, Tel. 05164-801113