Pressemitteilung - Juni 2021

Rettung für den Frühlingsboten

Gelungene Kooperation zwischen Landwirt und NABU zum Schutz von neun Kiebitzbruten in der Meißeniederung

Der streng geschützte Kiebitz ist im Aller-Leine-Tal nur noch ein seltener Anblick. Der Bestand ging von 293 Brut-/Revierpaare (1991) auf 96 (2020) zurück (- 67%).  (Foto: F.U.Schmidt)
Der streng geschützte Kiebitz ist im Aller-Leine-Tal nur noch ein seltener Anblick. Der Bestand ging von 293 Brut-/Revierpaare (1991) auf 96 (2020) zurück (- 67%). (Foto: F.U.Schmidt)

Als Charaktervogel offener Grünlandgebiete war der Kiebitz bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts in der Allerniederung ein verbreiteter Brutvogel, der vor allem extensiv genutzte Wiesen und Weiden sowie Überschwemmungsflächen besiedelte. Nach der Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten kündigten seine akrobatischen Loopings, Sturz- und Steilflüge und die weithin hörbaren Rufe den nahenden Frühling an und machten den Gaukler der Lüfte zu einem Sympathieträger, der von der Landbevölkerung mit regionaltypischen Namen wie Kiwitt und Piewit belegt wurde. Seither ist der Bestand  im Heidekreis stark rückläufig, die Anzahl der Brutpaare sank zwischen 1991 (293 BP/RP) und 2020 (96 BP/RP) um 67%, bundesweit war zwischen 1992 und 2016 sogar ein Rückgang um 88% zu verzeichnen. Als Hauptursachen für die dramatischen Bestandseinbrüche des unverwechselbaren Kulturfolgers mit der auffällige Federholle gelten neben dem ungebremsten Flächenverbrauch und der Zerschneidung von Lebensräumen vor allem der Verlust geeigneter Bruthabitate durch Entwässerungs-, Ausbau- und Eindeichungsmaßnahmen sowie die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung. Da mit der Zunahme von Intensivgrünland die bei Kiebitzen beliebten feuchten Standorte mit niedriger, lückiger Vegetation und Rundumsicht immer mehr verschwanden und sich aufgrund früher und häufiger Mahdtermine kaum Bruterfolg einstellte, verlagerte sich das Brutgeschehen in die Ackerlandschaft, wo bevorzugt mit Sommergetreide oder Mais gestellte Felder ausgewählt werden. 

 

Doch auch hier drohen dem Bodenbrüter, der zumeist vier gut getarnte Eier in eine offene Nestmulde legt, Verluste durch Bodenbearbeitung, Einsaat sowie chemischer und mechanischer Beikrautbekämpfung, wie beispielsweise das vor allem im Biolandbau gebräuchliche Hacken und Striegeln. Diese Gefahren waren glücklicherweise der Hodenhagenerin Nicole Lötsch bekannt, die sich auf einem Spaziergang hinter dem Flugplatz am Anblick mehrerer balzender Kiebitze erfreute und anschließend den NABU Heidekreis über ihre seltene Beobachtung informierte. Sie gab so den Anstoß zu einer gelungenen Kiebitzrettungsaktion, die von Florian Braun, Ansprechpartner des vierjährigen Projektes „Cash for Kiebitz“, koordiniert wurde. Ziel dieses von der Fachgruppe Natur- und Landschaftsschutz des LK Heidekreis geplanten und im Rahmen der Förderrichtlinie „Spezieller Arten- und Biotopschutz“ durch das Land Niedersachsen geförderten Projektes ist es, gemeinsam mit Bewirtschafter/innen die Brut- und Aufzuchtsbedingungen der Feld- und Wiesenbrüter wie Kiebitz und Brachvogel durch spezielle Maßnahmen zu verbessern. Dieses auf Freiwilligkeit, finanziellem Ausgleich und einem Miteinander von Landnutzern und Naturschützern basierende Konzept fand bei dem Pächter der zwischen Weg und Meißedeich gelegenen Ackerfläche, Ulrich Wichmann, sofort Anklang. Bei einem Vororttermin mit allen Beteiligten unterstrich der Vollerwerbslandwirt aus Rodewald seine Überzeugung, dass auch konventionell wirtschaftende Betriebe einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Naturschutz leisten können. „Wir bewirtschaften den 10 ha großen Schlag seit 2007 mit einer vierjährigen Fruchtfolge und haben in der Woche nach Ostern im so genannten Strip-Till-Verfahren Maissaat eingebracht“, erläuterte Wichmann sein Vorgehen und versprach, die Kiebitzgelege bei dem in Kürze anstehenden Pestizideinsatz zu umfahren und die Spritze auszusetzen. Damit der Schutz der Gelege reibungslos funktioniert, wurden sie von Florian Braun jeweils mit zwei Bambusstöcken in einem Abstand von 3-4 m vor und hinter dem Nest in Bearbeitungsrichtung der landwirtschaftlichen Maschinen markiert. „Leider ist es nicht mehr möglich, die Maßnahme mit Mitteln des „Cash-for-Kiebitz“-Projektes zu fördern“, bedauerte der Landnutzungsplaner und war umso mehr erfreut, dass sich der Naturschutzbund spontan bereit erklärte, den Gelegeschutz entsprechend zu honorieren. „Wir wissen Herrn Wichmanns Einsatz für den Kiebitz sehr zu schätzen und hoffen, dass wir dem beliebten Charaktervogel auch im nächsten Jahr gemeinsam zum Bruterfolg verhelfen können“, betonte Pressesprecherin Dr. Antje Oldenburg und verwies auf die Möglichkeit zusätzlicher Maßnahmen wie den Erhalt von feuchten Senken, Schotterlinsen und anderen Sonderstrukturen, die Kiebitze auf Äckern gerne zum Brüten oder zur Nahrungssuche mit den Küken nutzen.

Brütender Kiebitz auf einem markierten Gelege. (Foto: Florian Braun)
Brütender Kiebitz auf einem markierten Gelege. (Foto: Florian Braun)