Heidekreis – Knapp 122.000 Menschen beteiligten sich deutschlandweit an der „Stunde der Wintervögel“, bei der sich Groß und Klein eine Stunde lang der Vogelbeobachtung im Garten, im Park oder auf dem Friedhof widmen. Im Mittelpunkt der beliebten Mitmachaktion, die am zweiten Januarwochenende stattfand, stehen heimische Arten, die das ganze Jahr bei uns verbringen und während der kalten Jahreszeit gerne an Futterhäuschen kommen, um von Samen und Körnern zu naschen. Aber auch Gastvögel aus Nord- und Osteuropa, die insbesondere in strengen Wintern zu uns kommen, sind von Interesse, um den Einfluss von Witterungs- und Nahrungsverhältnissen auf das Zugverhalten zu untersuchen.
"Selbst wenn man Faktoren wie Witterung, Teilnehmerzahlen und Infektionsgeschehen berücksichtigt, sind die Ergebnisse der diesjährigen Wintervogelzählung erschreckend und führen uns nur allzu deutlich vor Augen, dass das Artensterben in unserer unmittelbaren Umgebung angekommen ist," kommentiert die Pressesprecherin des Naturschutzbundes Heidekreis, Dr. Antje Oldenburg, die hohen Bestandsrückgänge, die in Niedersachsen bei den zehn am häufigsten gemeldeten Singvogelarten im Durchschnitt bei 17,7% lagen. So gingen im Vergleich zum Vorjahr die Sichtungen des Erstplatzierten, des Haussperlings, um 13% zurück und auch die Zweitplatzierte, die Kohlmeise, nahm um 10% ab, während Blaumeisenbeobachtungen sogar um 16% sanken. Besonders gravierend war das Minus von 40% bei Amseln, die stark von dem im Sommer grassierenden Usutu-Virus betroffen waren, doch auch bei Heckenbraunellen (- 29%), Feldsperlingen (- 25%) und Buchfinken (- 15%) waren erschreckende Rückgänge zu verzeichnen.
„Siedlungen galten bislang als Rückzugsort für viele heimische Vogelarten, doch leider nehmen selbst die Bestände einst häufiger Arten wie Amsel, Star, Grünfink und Haussperling kontinuierlich ab“, berichtet der 1. Vorsitzende Klaus Todtenhausen. Während der ungebremste Artenschwund unter den Vögeln der Kulturlandschaft vor allem auf intensive Bewirtschaftungsformen und dem damit einhergehenden hohen Pestizideinsatz sowie dem Verlust an kleinräumigen Strukturen wie Hecken, Wegränder und Feldraine zurückzuführen ist, werden die Lebensräume innerhalb von Siedlungen zunehmend durch Verdichtung und Versiegelung zerstört. Zubetonierte Brachen und Freiflächen, pflegeleichte Grünanlagen und Straßenränder sowie der anhaltende Trend zu eintönigen Gärten mit Kies- und Schotterflächen, Pflasterungen, sterilen Rasenflächen und fremdländischen Gewächsen führen zu einem Mangel an Brutmöglichkeiten und Nahrungsquellen, der mit einem schleichenden Verlust der Artenvielfalt einhergeht und nicht nur Vögel, sondern auch andere Artengruppen wie Insekten, Reptilien, Amphibien und Säugetiere betrifft. Ein derartiger Bestandseinbruch ist jedoch einmalig in der fünfzehnjährigen Geschichte der „Stunde der Wintervögel“ und sollte – bei aller Vorsicht – als Weckruf verstanden werden. „Artenschwund und Klimawandel sind sich gegenseitig verstärkende Zwillingskrisen, die ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erfordern. Wenn wir unsere Existenzgrundlagen erhalten wollen, müssen wir dem Naturschutz dringend mehr Aufmerksamkeit schenken und sowohl unsere Wirtschaftsweise als auch unser Konsumverhalten grundlegend ändern“, resümiert der Naturschutzverband in seiner Pressemitteilung.