Artensterben vor der Haustür

NABU Heidekreis besorgt über zweistelligen Bestandseinbruch bei der „Stunde der Wintervögel“

Amsel –häufigstes Opfer des Usutu-Virus (Foto: Mike Lane NABU)
Amsel –häufigstes Opfer des Usutu-Virus (Foto: Mike Lane NABU)

Heidekreis – Knapp 122.000 Menschen beteiligten sich deutschlandweit an der „Stunde der Wintervögel“, bei der sich Groß und Klein eine Stunde lang der Vogelbeobachtung im Gar­ten, im Park oder auf dem Friedhof widmen. Im Mittelpunkt der beliebten Mitmachaktion, die am zweiten Januarwochenende stattfand, stehen heimische Arten, die das ganze Jahr bei uns verbringen und während der kalten Jahreszeit gerne an Futterhäuschen kommen, um von Samen und Körnern zu naschen. Aber auch Gastvögel aus Nord- und Osteuropa, die insbe­sondere in strengen Wintern zu uns kommen, sind von Interesse, um den Einfluss von Witte­rungs- und Nahrungsverhältnissen auf das Zugverhalten zu untersuchen. 

 

"Selbst wenn man Faktoren wie Witterung, Teilnehmerzahlen und  Infektionsgeschehen be­rücksichtigt, sind die Ergebnisse der diesjährigen Wintervogelzählung erschreckend und füh­ren uns nur allzu deutlich vor Augen, dass das Artensterben in unserer unmittelbaren Umge­bung angekommen ist," kommentiert die Pressesprecherin des Naturschutzbundes Heide­kreis, Dr. Antje Oldenburg, die hohen Bestandsrückgänge, die in Niedersachsen bei den zehn am häufigsten gemeldeten Singvogelarten im Durchschnitt bei 17,7% lagen. So gingen im Vergleich zum Vorjahr die Sichtungen des Erstplatzierten, des Haussperlings, um 13% zu­rück und auch die Zweitplatzierte, die Kohlmeise, nahm um 10% ab, während Blaumeisen­beobachtungen sogar um 16% sanken. Besonders gravierend war das Minus von 40% bei Amseln, die stark von dem im Sommer grassierenden Usutu-Virus betroffen waren, doch auch bei Heckenbraunellen (- 29%), Feldsperlingen (- 25%) und Buchfinken (- 15%) waren erschreckende Rückgänge zu verzeichnen. 

 

„Siedlungen galten bislang als Rückzugsort für viele heimische Vogelarten, doch leider nehmen selbst die Bestände einst häufiger Arten wie Amsel, Star, Grünfink und Haussper­ling kontinuierlich ab“, berichtet der 1. Vorsitzende Klaus Todtenhausen. Wäh­rend der un­gebremste Artenschwund unter den Vögeln der Kulturlandschaft vor allem auf intensive Bewirtschaftungsformen und dem damit einhergehenden hohen Pestizideinsatz sowie dem Verlust an kleinräumigen Strukturen wie He­cken, Wegränder und Feldraine zurückzufüh­ren ist, werden die Lebensräume innerhalb von Siedlungen zunehmend durch Verdichtung und Versiegelung zerstört. Zubetonierte Bra­chen und Freiflächen, pflegeleichte Grünanlagen und Straßenränder sowie der anhaltende Trend zu eintönigen Gärten mit Kies- und Schotterflä­chen, Pflasterungen, sterilen Rasenflächen und fremdländischen Gewächsen führen zu einem Mangel an Brut­möglichkeiten und Nahrungsquellen, der mit einem schleichenden Verlust der Artenvielfalt einhergeht und nicht nur Vögel, sondern auch andere Artengruppen wie In­sekten, Reptilien, Amphibien und Säugetiere betrifft. Ein derartiger Bestandseinbruch ist je­doch einmalig in der fünfzehnjährigen Geschichte der „Stunde der Wintervögel“ und sollte – bei aller Vorsicht – als Weckruf verstanden werden. „Artenschwund und Klimawandel sind sich gegenseitig verstärkende Zwillingskrisen, die ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erfordern. Wenn wir unsere Existenzgrundlagen erhalten wollen, müssen wir dem Natur­schutz dringend mehr Aufmerksamkeit schenken und sowohl unsere Wirtschaftsweise als auch unser Konsumverhalten grundlegend ändern“, resümiert der Naturschutzverband in sei­ner Pressemitteilung.

Haussperling – trotz 13prozentigem Rückgang häufigster Wintervogel (Foto: NABU)
Haussperling – trotz 13prozentigem Rückgang häufigster Wintervogel (Foto: NABU)