Pressemitteilung - Juni 2025

Panikmache und Aktionismus

NABU Heidekreis rät zu achtsamem Umgang mit Jakobskreuzkraut

NABU-Abendspaziergang: „Raupe Nimmersatt hilft“ Der Blutbär und das Jakobskreuzkraut

 

Am 15. Juli lädt der NABU Heidekreis zu einem abendlichen Spaziergang in der Schotenheide ein, bei dem sich alles um den Blutbär dreht, einem Nachtfalter aus der Familie der Bärenspinner, dessen schwarz-gelb geringelte Raupen Jakobskreuzkraut zum Fressen gern haben. Die kostenlose Beobachtungstour beginnt um 18.00 Uhr am Waldrand hinter der Ahldener Mühle (Mühlendamm). Info: 05164-801113


Toll- und Traubenkirsche, Eisen- und Fingerhut, Hasen- und Maiglöckchen, Wolfsmilch,  Hahnenfuß, Immergrün, Eibe, Ilex. In Mitteleuropa gibt es rund 50 giftige Pflanzenfamilien, deren Inhaltsstoffe Menschen und Tiere in unterschiedlichem Maße beeinträchtigen können. 

 

Manchmal ist das gesamte Gewächs giftig, manchmal sind es einzelne Pflanzenteile wie Blüten, Samen oder Früchte, die bei Berührung oder Verzehr in Abhängigkeit von der Menge des aufgenommenen Giftstoffes und der Konstitution des Individuums zu Hautreizungen, Ausschlägen, Verbrennungen, Krämpfen, Magen-Darm- oder Herz-Kreislaufbeschwerden führen können. Insbesondere zur Abwehr von Fressfeinden setzen viele Giftpflanzen eine auffällige Färbung oder einen unangenehmen Geschmack als Warnsignal ein. So auch das zur Gattung der Greiskräuter gehörende Jakobskreuzkraut, das in verschiedenen Pflanzengesellschaften und Lebensraumtypen vorkommt und aufgrund seines bitteren Geschmacks von Weide- und Wildtieren gemieden wird. Da sich die Bitterstoffe nach dem Absterben der Pflanze verlieren, während die giftigen Pyrrolizidinalkaloide erhalten bleiben, stellt es in Heu und Silage eine ernst zu nehmende Gefahr dar: Nehmen Pferde und Wiederkäuer den Giftstoff über einen längeren Zeitraum in größeren Mengen auf, kommt es zu einer Schädigung der Leberzellen, die zur Erkrankung und schlimmstenfalls zum Tod der Tiere führen kann. 

 

„Auch wenn Vergiftungsfälle selten sind, ist es zweifellos richtig und wichtig, die Ausbreitung von Jakobskreuzkraut auf Weiden und Flächen zur Gras- und Heugewinnung einzudämmen, eine flächendeckende Bekämpfung halten wir jedoch für kontraproduktiv, weil massive Eingriffe in ökologische Kreisläufe und Netzwerke erfahrungsgemäß mehr Probleme schaffen als lösen“, sagt die Pressesprecherin des NABU Heidekreis, Dr. Antje Oldenburg. Jakobskreuzkraut ist kein Neophyt, sondern eine heimische Pflanze, die basenreiche Böden in offenen Bereichen besiedelt und besonders auf Brachen und extensiv genutzten Weiden, Trockenwald-Säumen, Wegrainen, Straßenrändern und Bahndämmen vorkommt. Sie ist Teil der biologischen Vielfalt und dient bis zu 200 verschiedenen Insektenarten als Futterpflanze. Besonders beliebt sind die leuchtend gelben Blüten bei Wildbienen, Weichkäfern, Fliegen, Schwebfliegen und verschiedenen Schmetterlingen. Absolut überlebenswichtig ist das Jakobskreuzkraut für den in Niedersachsen stark gefährdeten Blutbären, einer kleinen, schwarz-rot gefärbten Nachtfalterart, deren gelb-schwarz geringelte Raupen sich ausschließlich von Greiskräutern ernähren und sich durch Anreicherung der für sie ungefährlichen Pyrrolizidinalkaloide selbst vor hungrigen Vögeln und anderen Fressfeinden schützen. Die gesellig lebenden Raupen können die Pflanze durch Kahlfraß stark schädigen, was im Laufe der Jahre zu einer Zunahme der Schmetterlings- und einer Abnahme der Greiskrautpopulation führt, bis die Nahrung so knapp wird, dass der Blutbär wieder weniger wird und sich in der Folge das Jakobskreuzkraut erneut ausbreiten kann. 

 

Eine radikale Bekämpfung des Jakobskreuzkrauts stellt jedoch nicht nur eine Bedrohung für seinen gesetzlich geschützten Gegenspieler dar, sondern führt zwangsläufig zu weiteren Biodiversitätsverlusten in der ohnehin schon immer artenärmer werdenden Agrarlandschaft. Durch das Mähen und Mulchen von Weg- und Straßenrändern oder gar von Stilllegungs- und Naturschutzflächen werden Myriaden von Wirbellosen getötet, Säugetiere verlieren ihre Deckung, Wildbienen, Hummeln, Wespen, Schwebfliegen, Tag- und Nachtfalter sowie andere Insekten ihre Nahrungsgrundlage. Da Wildkräuter wie Schafgarbe, Rainfarn, Wilde Möhre, Kratzdistel oder Karde keine Samen ausbilden können, leiden in der Folge sowohl insekten- als auch samenfressende Vogelarten unter dem blinden Aktionismus, der durch mediale Panikmache befeuert wird. Der Naturschutzbund appelliert daher eindringlich für einen rationalen Umgang mit Jakobskreuzkraut und schließt sich der Auffassung der Fachbehörde an, die aus naturschutzfachlicher Sicht keinerlei Veranlassung sieht, die Pflanze auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen zu beseitigen.